Thailand schließt alle Landgrenzen zu Kambodscha – Militär übernimmt Kontrolle
Das thailändische Militär hat sämtliche Grenzübergänge an den Landgrenzen zwischen Thailand und Kambodscha geschlossen – darunter auch den viel frequentierten Übergang Aranyaprathet/Poipet in der thailändischen Provinz Sa Kaeo.
Wichtig: Touristen können problemlos über alle Flughäfen einreisen. Auch Flüge von Bangkok sind ohne Probleme möglich. Kambodscha ist sicher, zu diesem Thema sind keine inneren Unruhen in Kambodscha zu erwarten. Dies spiegelt auch die aktuelle Bewertung des amerikanischen Department of State für Kambodscha auf Level 1 wieder. Damit ist Kambodscha aktuell mit Level 1 sicherer bewertet als Deutschland (Level 2).
Die Grenzschließung erfolgte unmittelbar, nachdem Kambodscha angekündigt hatte, keine Öl- und sonstigen Brennstofflieferungen aus Thailand mehr zu akzeptieren und zugleich erklärte, Thailand wegen des anhaltenden Grenzkonflikts vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) bringen zu wollen. Thailand zeigte daran jedoch kein Interesse – wohl auch deshalb, weil es in der Vergangenheit bereits zwei Verfahren vor dem IGH im Zusammenhang mit dem Streit um den kambodschanischen Tempel Preah Vihear verloren hatte.
Thailand stützt seinen Gebietsanspruch auf eine eigens erstellte Karte, während Kambodscha sich auf eine ältere Karte mit weniger genauem Maßstab beruft. Diese wurde jedoch einst zwischen Thailand und Frankreich ausgehandelt, als Kambodscha noch unter französischer Kolonialherrschaft stand. Da Kambodscha als Rechtsnachfolger dieser Vereinbarungen gilt, stellt sich die Frage, weshalb Thailand diese Grundlage nicht anerkennen will.
Nach vorliegenden Informationen befinden sich in dem umstrittenen Gebiet keine nennenswerten Rohstoffe, sondern hauptsächlich Waldflächen sowie einige kleinere Tempelanlagen.
Mehr zum Hintergrund:
Seit einigen Wochen schwelt ein neu entflammter Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha. Bereits im Mai kam es zu einem Zusammenstoß zwischen thailändischen und kambodschanischen Truppen, bei dem ein kambodschanischer Soldat getötet wurde. Kambodscha forderte daraufhin eine Aufarbeitung des Vorfalls, die jedoch von thailändischer Seite ausblieb. In der Folge stationierten beide Länder zunehmend Truppen entlang der Grenze, und auf thailändischer Seite übernahm das Militär die Kontrolle über die Grenzregionen. In einigen Provinzen wurde sogar das Kriegsrecht ausgerufen.
Thailand drohte anschließend, die Internet- und Stromlieferungen nach Kambodscha einzustellen. Daraufhin kappte Kambodscha die Verbindungen eigenständig und richtete alternative Internetverbindungen ein. Über das eigene Zugangssystem zum Unterseekabel AAE-1 nach Europa war das Land ohnehin weitgehend unabhängig.
Zusätzlich verschärfte sich die Situation, nachdem ein vertrauliches Gespräch zwischen der thailändischen Premierministerin und dem ehemaligen Premierminister Kambodschas geleakt wurde. In diesem Gespräch äußerte sich die thailändische Regierungschefin abfällig über einen hochrangigen Militärkommandeur. Der Vorfall führte nicht nur zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen, sondern auch innerhalb Thailands zu einer Regierungskrise: Neun Minister traten in der Folge – soweit bekannt – zurück, was die zivile Regierung weiter unter Druck setzte.
Daraufhin wurde die bereits zuvor angedrohte Einstellung der Ölexporte nach Kambodscha öffentlich gemacht. Doch bevor Thailand Maßnahmen ergriff, kam Kambodscha dieser Drohung zuvor und verhängte selbst ein Importverbot für Ölerzeugnisse aus Thailand.
Schon zuvor war es immer wieder zu zeitweiligen, nicht abgestimmten Schließungen einzelner Grenzübergänge durch das thailändische Militär gekommen – meist auf unbestimmte Zeit. Diese Maßnahmen führten zu erheblichen Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr. In Reaktion darauf untersagte Kambodscha den Import landwirtschaftlicher Produkte aus Thailand, nachdem auch aus Thailand Rufe nach einem Exportstopp laut geworden waren.
Nach dem offiziellen Importstopp für Ölprodukte durch Kambodscha erfolgte schließlich die landesweite Schließung aller Landgrenzen durch das thailändische Militär. Derzeit dürfen lediglich Schulkinder sowie medizinische Notfälle die Grenze passieren.
Die Schließung führte zu großen Menschenansammlungen auf thailändischer Seite – viele Kambodschaner wollten in ihre Heimat zurückkehren, wurden jedoch von den thailändischen Grenztruppen abgewiesen. Zwar ließ Kambodscha thailändische Reisende mit Ziel Thailand passieren, doch auch hier verweigerte das thailändische Militär den Grenzübertritt.
Nachdem Berichte laut wurden, wonach die Verweigerung der Ausreise kambodschanischer Staatsbürger als potenzielle Menschenrechtsverletzung eingestuft werde, öffneten einige Grenzposten vorübergehend – teils mit Einschränkungen bezüglich der Anzahl der täglich durchgelassenen Personen –, um eine Rückreise zu ermöglichen.
Für Ausländer ist ein Grenzübertritt an den Landgrenzen in der Regel derzeit nicht möglich – auch nicht für Ehepartner thailändischer/kambodschanischer Staatsbürger.
Bereits kurze Zeit später veröffentlichte die UN einen kritischen Bericht über kriminelle Organisationen in Kambodscha. Thailand griff diesen Bericht umgehend auf und rechtfertigte die Grenzschließung mit dem Schutz der eigenen Staatsbürger. Angesichts des tatsächlichen Ablaufs der Ereignisse erscheint diese Begründung jedoch höchst fragwürdig.
An den Flughäfen finden die Einreisekontrollen weiterhin durch die reguläre thailändische Migrationsbehörde statt. An den Landgrenzen hingegen hat das thailändische Militär wie Eingangs dargstellt die Kontrolle vollständig – teilweise unter Berufung auf Kriegsrecht – übernommen.