Thailands Regierung hat offensichtlich keine Kontrolle über das Militär

Thailands Regierung hat offensichtlich keine Kontrolle über das Militär

Desto länger der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha andauert, desto deutlicher wird bei genauer Beobachtung der thailändischen Medienlandschaft, dass die Regierung in Bangkok faktisch kaum noch Kontrolle über das Militär besitzt.

Bereits in den ersten Tagen der Auseinandersetzungen übernahm die Royal Thai Army die operative Führung entlang der umkämpften Grenzregionen. In mehreren Provinzen wurde das Kriegsrecht verhängt, um „die nationale Sicherheit zu gewährleisten“ – tatsächlich jedoch, um dem Militär die vollständige Kontrolle über die dortigen Abläufe zu sichern.¹

Während die Regierung zunächst bemüht war, diplomatische Kanäle aufrechtzuerhalten, verlagerte sich die öffentliche Kommunikation zunehmend auf militärische Sprecher. The Nation Thailand berichtete wiederholt über militärische Pressekonferenzen, Truppenbewegungen, den Einsatz von F-16-Kampfflugzeugen, die Schließung von Grenzübergängen und über die Verwahrung kambodschanischer Kriegsgefangener – stets mit dem Militär als zentraler Quelle der Information.² ³

Damit zeigt sich eine klare Verschiebung der Machtbalance: Nicht mehr das Außen- oder Verteidigungsministerium tritt als führender Akteur auf, sondern ausschließlich die Armeeführung. Die von der Armee getroffenen Maßnahmen – darunter Grenzschließungen, Evakuierungen und die Stationierung zusätzlicher Truppen – wurden eigenständig kommuniziert, häufig ohne erkennbare politische Abstimmung.⁴

Das politische Machtvakuum in Bangkok hat diesen Prozess weiter beschleunigt. Die Suspendierung von Premierministerin Paetongtarn Shinawatra durch das Verfassungsgericht am 1. Juli 2025 markierte einen Wendepunkt. Ihr Nachfolger, Interimspremier Suriya Juangroongruangkit, agierte sichtbar unter dem Einfluss des Militärs. Auch der durch das Parlament – und nicht durch eine Volkswahl – gewählte neue Premierminister Phumtham Wechayachai hat bislang keine eigenständige Linie gegenüber der Armee erkennen lassen.⁵

Besonders auffällig ist, dass während der politischen Übergangsphase zentrale sicherheitspolitische Entscheidungen nicht im Kabinett, sondern direkt vom Generalstab der Armee getroffen wurden. Mehrere Quellen deuten darauf hin, dass die Grenzregionen de facto unter militärischer Verwaltung stehen – eine Situation, die auch von internationalen Beobachtern als „Entmachtung der zivilen Exekutive“ gewertet wird.⁶

Das Militär nutzt den Konflikt offenbar, um seine institutionelle Dominanz zu festigen. Es kontrolliert nicht nur die Sicherheitslage, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung: In nationalen Medien wie The Nation Thailand stammen mittlerweile die meisten offiziellen Stellungnahmen zur Lage an der Grenze nicht mehr aus dem Büro des Premierministers, sondern direkt von Armeesprechern. Diese mediale Präsenz hat symbolische Wirkung – sie stellt das Militär als alleinige Schutzmacht des Landes dar und verdrängt die zivile Regierung zunehmend aus der öffentlichen Sichtbarkeit.⁷

Zudem betonen militärische Vertreter in ihren Statements immer wieder, dass die thailändischen Truppen „ausschließlich auf eigenem Territorium“ operieren – eine Formulierung, die diplomatisch den Eindruck vermitteln soll, man handle im nationalen Interesse, faktisch aber vor allem der Legitimation militärischer Eigenmächtigkeit dient.⁸

Schließlich zeigen sich auch international Bedenken: Mehrere Beobachter, darunter der Council on Foreign Relations (CFR), weisen darauf hin, dass die traditionell starke Rolle des Militärs in Thailand in Krisenzeiten regelmäßig zu einer schleichenden Verschiebung der Machtverhältnisse führt – weg von der demokratisch gewählten Regierung, hin zu einer „stabilitätsorientierten Militärverwaltung“.⁹

Je länger der Konflikt mit Kambodscha anhält, desto klarer zeigt sich, dass die zivile Regierung in Bangkok kaum noch Einfluss auf die strategischen und operativen Entscheidungen hat. Der Ausnahmezustand an der Grenze, die fortgesetzte militärische Dominanz in den Medien und die politische Schwäche der zivilen Führung lassen darauf schließen, dass das thailändische Militär nicht nur den Konflikt kontrolliert, sondern längst auch die politische Agenda des Landes bestimmt.

Quellenverzeichnis

¹ The Nation Thailand: „Army declares martial law in border provinces amid Cambodia clashes“, 2025. Online unter: https://www.nationthailand.com/news/general/40056668

² The Nation Thailand: „Thai troops strengthen border defences with Cambodia“, 2025. Online unter: https://www.nationthailand.com/news/asean/40053993

³ The Nation Thailand: „Captured Cambodian soldiers remain in Thai custody“, 2025. Online unter: https://www.nationthailand.com/news/asean/40053555

Reuters: „Thailand closes border crossings with Cambodia as dispute deepens“, 24. Juni 2025. Online unter: https://www.reuters.com/world/asia-pacific/thailand-closes-border-crossings-with-cambodia-dispute-deepens-2025-06-24/

Wikipedia: „2025 Cambodian–Thai border crisis“, zuletzt aktualisiert 2025. Online unter: https://en.wikipedia.org/wiki/2025_Cambodian%E2%80%93Thai_border_crisis

Council on Foreign Relations: Joshua Kurlantzick, „Is a Coup Coming Soon in Thailand?“, 2025. Online unter: https://www.cfr.org/article/coup-coming-soon-thailand

The Nation Thailand: Berichterstattung Juni–August 2025; siehe insbesondere Artikel zu Armeesprechern und Grenzsicherung.

The Nation Thailand: „Army insists all actions remain within Thai territory“, Juli 2025. Online unter: https://www.nationthailand.com/news/general/40056668

Council on Foreign Relations: ebenda.

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